Kann Depression Sinn machen?

Krisen als Schicksal, Machsal oder Trausal

Depressionen werden heute in der Psychiatrie regelhaft als funktionelle Störungen des Gehirns betrachtet, wobei diese Störungen oft mit Veränderungen des Hirngewebes in Verbindung gebracht werden. Es wird zwar wieder vermehrt festgestellt, dass diverse Lebensbelastungen depressive Episoden auslösen, doch wird kaum danach gefragt, ob der Depression auch eine Sinn machende Reaktionsweise zugrunde liegen könne. Das vorherrschende Konzept geht primär von einer somatischen Störung aus und nicht von einer physiologischen Bewahrungsreaktion, die sich sekundär z.B. durch Maladaptation ins Krankhafte steigern kann.

Es macht aber für die Betroffenen und ihre Prognose einen großen Unterschied, wie eine depressive Krise verstanden wird: Sei es eher fatalistisch (als körperliches Schicksal), eher frustran (als Machsal bzw. verunmöglichte Selbstverwirklichung) oder eher akzeptierend (als Trausal bzw. als Herausforderung mit Botschaftscharakter). Neue vielversprechende Therapieansätze rücken statt der Pathologie das achtsame, nicht wertende Wahrnehmen von deprimierenden Gedanken und Gefühlen ins Zentrum. Besonders günstig wirkt sich aus, wenn sich ein Mensch bei belastenden Erfahrungen mit den dabei auftretenden negativen Gedanken oder Gefühlen nicht identifiziert, sondern sich bewusst bleibt, dass alles affektiv oder kognitiv Wahrgenommene einen tieferen Grund in ihm voraussetzt, der unhintergehbar ist und das Leiden transzendiert.