Vulnerando sanamus
Die Operation als Schicksal
Kaum eine andere Spezialität der Medizin lebt in ähnlicher Symbiose mit der Technik wie die Chirurgie. Das technisch Sachliche steht im Sinne eines vehementen technologischen Imperativs dominierend im Mittelpunkt und droht, das Humane zu verdrängen bzw. überflüssig zu machen. Kritische Denker reklamieren humanitäre Massstäbe gegen die Vorherrschaft technischer Handlungsstrategien.
Wenn es um ein Nachdenken über das Schicksal des chirurgischen Patienten geht, ist die ärztliche Humanität und Kompetenz des Chirurgen gefordert, eine Dimension, die zunehmend aus dem Selbstverständnis der Chirurgie als Job verschwindet. Der intraoperative Tod - „mors in tabula“ - ist wohl der schwerste Schicksalsschlag für einen Patienten und seine Hinterbliebenen, aber auch für den verantwortungsbewussten Chirurgen.
In der Literatur und in den chirurgischen Komplikationskonferenzen interessieren in erster Linie statistische Erhebungen (Mortalität) sowie kausal-pathophysiologische und präventive Überlegungen. Ethische und spirituelle Dimensionen finden kaum Erwähnung, werden tabuisiert.
Am Beispiel der „Grenzsituation“ einer Operation mit letalem Ausgang wird über das Schicksal des Patienten und seines verantwortlichen Chirurgen nachgedacht.
Es gehört zum deontologischen Selbstverständnis eines verantwortungsbewussten Arztes und Chirurgen aus Berufung, das Schicksal „seines“ Patienten in sein vorherrschend technologisches Denken zu integrieren.