Ethik der Gabe
Humane Medizin zwischen Leistungserbringung und Sorge um den Anderen.
2. Freiburger Symposium zu den Grundfragen des Menschseins in der Medizin.
Prof. Dr. med. Giovanni Maio, M.A.
Curriculum vitae
Giovanni Maio ist Universitätsprofessor für Medizinethik an der Universität Freiburg und Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin. Als studierter Philosoph und Arzt mit eigener klinischer Erfahrung ist er Mitglied zahlreicher Ethik-Gremien. So wurde er von Bundesregierung in die Zentrale Ethikkommission für Stammzellforschung berufen; außerdem berät er die Bundesärztekammer, die Malteser Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz. Wichtige Veröffentlichungen: «Mittelpunkt Mensch – Ethik in der Medizin« (Schattauer 2012); «Abschaffung des Schicksals?» (Herder, 2011); «Altwerden ohne alt zu sein?» (Alber 2011); «Macht und Ohnmacht des Wortes in der Medizin» (Wallstein 2012)
Abstract: »Vom Verlust der Gabe in Zeiten der Ökonomie«
Die moderne Medizin ist dem Diktat der Ökonomie so weit unterworfen, dass darunter ihre ureigene Identität als verstehende Sorge um einen leidenden Menschen verloren zu gehen droht. Mit dem ökonomischen Denken ist ein neues Credo ärztlicher Betreuung verknu¨pft, das sich zunehmend an Werten wie Effizienz, Quantifizierbarkeit und Standardisierbarkeit orientiert. Die Behandlung kranker Menschen ist allerdings konstitutiv auf eine Begegnung angewiesen, die gerade nicht in ein standardisiertes Verfahren gegossen werden kann. Die Beziehung zwischen Arzt und Patient kann nur dann glücken, wenn realisiert wird, dass innerhalb dieser Begegnung sich Dinge ereignen, die nicht vorher so planbar und skalierbar sind wie es das ökonomisierte System gerne hätte. Der Arzt kann also nicht primär und ausschließlich „der Macher“ und Technikanwender sein, sondern er muss dem Patienten auch helfen, die Krankheit zu bewältigen und dadurch ein neues Erleben zu ermöglichen. Echte Hilfe für kranke Menschen ist eine Art Lehre zum Leben mit der Krankheit, bei der es neben der rein somatischen Behandlung auch zentral um die Entdeckung von Sinnzusammenhängen geht.
Vor diesem Hintergrund ist es gerade in Zeiten der Ökonomisierung der gesamten Gesellschaft um so wichtiger sich darauf zu besinnen, dass die Therapie für kranke Menschen nur innerhalb einer gebenden Beziehung gelingen kann innerhalb einer Beziehung, bei der es nicht um einen Tausch von Gesundheitswaren geht, sondern vor allen Dingen um die Selbstverständlichkeit, mit der der sorgetragende Arzt sich als ganzer Mensch dem angewiesenen Menschen als ganzem Menschen zuwendet und auf diese Weise das unhinterfragte Geben zur Kernidentität seines Tuns macht.